Beratung für Menschen, die „stalken“
Eine erste Untersuchung der Wirksamkeit durch eine Analyse von Charakteristika des Beratungsverlaufs sowie durch Befragungen in einer spezifischen Beratungsinstitution.
Diese Master-Thesis beschäftigt sich mit der Wirksamkeit der Beratung
für Menschen, die „stalken“. In einer evaluativen Untersuchung werden
Dokumentationsprotokolle der Beratungsstelle „Stop-Stalking Berlin“
analysiert sowie Interviews mit Beratern und Klienten der Einrichtung geführt.
Zur Einführung in die Thematik wird zunächst die Begrifflichkeit des
Stalkings und seine Entwicklung hin zu einem gesellschaftlichen Problem
erörtert. Dabei wird insbesondere auf die Täterberatung im Bereich Stalking
sowie auf bestehende internationale und deutschsprachige Behandlungskonzepte
eingegangen. Hierbei zeigt sich bereits, dass spezifische
Beratungseinrichtungen wie das „Stalking-KIT Bremen“ und die im weiteren Verlauf der
Arbeit genauer betrachtete Einrichtung „Stop-Stalking Berlin“ noch einen
relativ einzigartigen Status in Deutschland innehaben.
Bei der Institutionsbeschreibung von Stop-Stalking wird einerseits auf
die Entstehung von Stop-Stalking und dessen Rahmenbedingungen eingegangen.
Andererseits wird das Klientel sowie dessen Aufträge und Motivationen
betrachtet. Da ein Teil der Klienten von Stop-Stalking aufgrund extrinsischer
Motivation oder einer Weisung in die Beratung gelangt, werden bei der
Klientelbetrachtung insbesondere auch Aspekte wie Ausschlusskriterien und
fremdmotivierte Beratung in die Untersuchung miteinbezogen. In der weiteren
Betrachtung des Beratungskonzepts und ‑settings wird die große Wichtigkeit der
Bindungstheorie (Bowlby 1976, Ainsworth 1978) und der Schematherapie (Young
1990) für die Arbeit von Stop-Stalking herausgestellt und skizziert. Es
wird zudem auf den Umgang mit dem in der allgemeinen Täterarbeit wichtigen
Begriff der Opferempathie eingegangen. Diese Betrachtungen werden in Bezug
zur gängigen Literatur und zu aktuellen Forschungsergebnissen gestellt.
Im praktischen Forschungsteil dieser Master-Thesis steht zunächst die
Entwicklung eines Kategoriensystems über Kriterien zur Beurteilung der
Wirksamkeit der Beratung bei Stop-Stalking im Vordergrund. Dieses stützt sich
auf das theoretische Grundgerüst der fünf psychotherapeutischen
Wirkfaktoren nach Grawe (2005) – „Therapeutische Beziehung“,
„Ressourcenaktivierung“, „Problemaktualisierung“, „Aktive Hilfe zur
Problembewältigung“ und „Motivationale Klärung“. Das Kategoriensystem wird anhand
einer Voruntersuchung durch die Kategorien „Allgemeines“ und
„Veränderungen des Stalking-Verhaltens“ sowie durch konkrete operationalisierende
Beispiele zu den einzelnen Kategorien erweitert. Dazu werden Mitarbeiter
von Stop-Stalking im Vorfeld befragt.
Für die eigentliche Untersuchung wird ein qualitatives Vorgehen
gewählt. Es werden neun Beratungsprozesse anhand der schriftlich vorliegenden
Dokumentationsprotokolle intensiv betrachtet. Darüber hinaus fließen in den
meisten Fällen problemzentrierte und leitfadengestützte Interviews mit
Beratern und Klienten ebenfalls in die Untersuchung mit ein. Die Auswahl der
Beratungsprozesse erfolgt dabei nicht randomisiert, sondern nach
größtmöglicher Unterschiedlichkeit.
Die Auswertung lehnt sich stark an die Strukturierte Inhaltsanalyse an,
die eine Vorgehensweise der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2008)
ist. Diese Vorgehensweise wird gewählt, da die erhobenen Daten einem
theoriegeleiteten Kategoriensystem zuzuordnen sind. Alle Auswertungsschritte
sind anhand eines Beispielfalls in der Master-Thesis direkt nachvollziehbar,
während im weiteren Verlauf nur die Ergebniszusammenfassungen der anderen
untersuchten Beratungsprozesse geschildert werden. Insgesamt wird das Ziel
dieser ersten Wirksamkeitsuntersuchung nicht darin gesehen, das
Beratungskonzept von Stop-Stalking in Frage zu stellen. Sie soll vielmehr
Aufschlüsse über Wirkungsweisen der Beratung geben und mögliche Rückwirkungen für
die Einrichtung erzeugen, um zu einer Optimierung der Beratungs-arbeit
beizutragen.
In einer Diskussion der Ergebnisse im Gesamten stellt sich schließlich
heraus, dass die Wirksamkeitskriterien in der Beratung von Stop-Stalking
Berlin insgesamt gut, und in manchen Fällen sogar äußerst gut erfüllt
werden. Dieses Urteil bleibt bestehen, auch wenn in einem der untersuchten
Beratungsprozesse nahezu keine positiven Entwicklungen im Sinne der
Wirksamkeit sichtbar sind, und dieser schließlich mit einem frühzeitigen Abbruch
endet. Es fällt aber ansonsten insgesamt auf, dass die Kriterien der
Therapeutischen Beziehung und der Problemaktualisierung durchgehend in fast allen
Fällen besonders positiv umgesetzt werden. Lediglich das Kriterium der
Motivationalen Klärung gelingt in einzelnen Fällen nur mäßig. Dies wird in
einem Deutungsversuch mit der zusätzlichen Schwierigkeit einer bei
sogenannten fremdmotivierten oder gewiesenen Klienten häufiger – aber nicht
generell – anzutreffenden mangelnden Reflexionsbereitschaft erklärt.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wird außerdem auf Ausnahmen
eingegangen, d.h. es werden Gründe erörtert, warum die Bewertung eines einzelnen
Kriteriums in bestimmten Beratungsprozessen von deren Gesamtbewertung
abweicht.
Basierend auf den Untersuchungsergebnissen, theoriegeleiteten
Erkenntnissen sowie praktischen, von einer systemischen Grundhaltung geprägten
Erfahrungen des Verfassers, werden schließlich mögliche Rückwirkungen und
Anregungen für die Beratungspraxis von Stop-Stalking dargelegt. Zuletzt
stehen in einem Ausblick Möglich-keiten für anschließende Untersuchungen im
Themenfeld Beratung für Menschen, die „stalken“ sowie bestehende und
wünschenswerte Bedingungen für die praktische Täterberatung im Bereich
Stalking zur Diskussion. Hierbei wird u.a. für einen Ausbau an Einrichtungen
oder zumindest von Kompetenzen in der Täterberatung im Bereich Stalking
geworben.